Ich staunte, wenn mir klar wurde, dass mein deutscher Gesprächspartner von dem schwedischen Sonderweg keine Ahnung hatte. Die Deutschen scheuen sich sonst nicht ins Ausland zu gehen um sich zu erkundigen. Die sonst aufgeklärt erscheinende Person mit der ich vor einigen Tagen sprach, wusste aber gar nicht, dass in Schweden das Leben fast wie immer läuft. Schulen sind offen, Restaurants sind offen und die Ökonomie läuft Hauptsache wie immer.
Wissen über den schwedischen Sonderweg durch die Corona-Krise könnte zwar zu heiklen Fragen betreffend den einheimischen Weg und die Verantwortung dafür führen. Ich will durch diesen Artikel einige Gedanken teilen, die vor allem die Perspektiven auf den schwedischen Sonderweg angehen.
Wie sonderbar?
Die schmale Perspektive wäre den schwedischen Sonderweg als möglichst wenig sonderbar zu sehen. Man sieht die Maßnahmen in Schweden als nur ein anderes Gradieren im Vergleich zu den anderen Ländern. Manche Schweden tragen zu dieser Perspektive gerne bei.
Ich bin aber der Meinung, der schwedische Weg sei qualitativ, und nicht nur quantitativ, von dem internationalen Mainstream unterschiedlich. Erstens weil die Ökonomie in Schweden Hauptsache in Betrieb gehalten worden ist. Es geht aber nicht nur um Ökonomie und Geld. Es geht auch um Normalität aufrechtzuhalten. Normalität fasst auch das soziale Muster unter den Menschen um. Es gibt auch weitere Aspekte der Normalität, zu denen ich unten zurückkomme.
Vielleicht schaffen die Schweden durch die Krise Normalität aufrechtzuhalten. Man könnte auch sagen, dass die Schweden einen Bruch ihrer Geschichte im Jahr 2020 nicht hinnehmen müssen. Es ist zwar schwierig für ein einzelnes Land allein bei einer Normalität zu bleiben. Das gilt für sowohl Ökonomie als für die weiteren Aspekte der Normalität. Als einziges Land einem besonderen Konzept zu folgen macht die schwedische Normalität auf eine Weise „unnormal“.
Praktisch gilt das Letzterwähnte vor allem für die Ökonomie. Durch internationalen Handel wird Schweden von der allgemeinen Rezession vermutlich betroffen werden, vielleicht schwer. Ob die Schweden schließlich mit ihrem Sonderweg eine Kontinuität, oder auch einen Bruch, in ihre Geschichte eintragen werden hängt u.a. von dem künftigen Nachdenken in Schweden und International ab.
Schweden ist selbstsicher
Ich will die Erklärung des schwedischen Sonderwegs in der Geschichte Schwedens und Europas suchen. Historisch ist Schweden anders. Schweden ist vor allem ein neutrales Land. Schweden ist nicht daran gewöhnt, sich internationalen Allianzen, Bewegungen – und Kräften überhaupt -anzuschließen. Schweden war in den zwei Weltkriegen des 20. Jahrhunderts neutral und durch den kalten Krieg kein Mitglied einer Allianz (etwa NATO).
Es kostet etwas neutral zu bleiben. Die Schweden haben es aber geschafft, u.a. haben sie mit nur 10 Millionen Einwohnern, wie die Franzosen mit 67 Millionen, eine eigene Flugzeugindustrie. Die Schweden haben mehrere Generationen des eigenen Kampfjets entwickelt. Der Wille zur Neutralität ist vielleicht durch den Hintergrund als ehemalige Großmacht in Europa erzeugt worden.
Regierungen müssten zurücktreten
Kehren wir zu der aktuellen, einheimischen Krise zurück, gilt es für uns Schweden als Beispiel auf eine relevante Weise festzuhalten. Wir dürfen etwa nicht den Unterschied zwischen Schweden und anderen Ländern unterschätzen nur um den eigenen Weg als alternativlos darzustellen.
Ich halte die folgende Fragestellung für wichtig: Wäre die Corona-Epidemie eine gewöhnliche, Influenza-ähnliche Epidemie?
Es gibt Hinweise darauf, dass das Corona-Virus sich nicht wesentlich von einem Influenza-Virus unterscheidet. Unter jüngeren, normal gesunden Menschen erscheint Corona sogar eine relativ milde Influenza zu sein. Dass eine Anzahl ältere Menschen, eventuell mit Vorerkrankungen, an (mit) Corona sterben, ist zu beklagen und sollte vermieden werden. Das ist aber bei einer üblichen Influenza auch so.
Vor allem halte ich die oben erwähnte Fragestellung für demokratisch wichtig. Erstens verstehen sämtliche Bürger diese Fragestellung. Zweitens geht es darum, ein politisches System aufrechtzuhalten, wobei die Macht verantwortlich bleibt. Wäre die Corona-Epidemie eine gewöhnliche, Influenza-ähnliche Epidemie, müssten die demokratischen Regierungen der Welt (außer der Schwedischen) zurücktreten. Somit würde das politische System normal demokratisch bleiben.
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