Es gibt jedenfalls unterschiedliche Grade wobei ein Mensch angesteckt werden kann. Der Bonner Virologe Hendrik Streeck hat uns das endlich bestätigt! Danke!
Das klingt auch plausibel. Wäre es denn möglich „passend“ angesteckt zu werden? So zu sagen „kostenlos“ immun zu werden?
Es hängt von der Menge ab
Ich habe einmal einen Mediziner (Note 1) zugehört, der sagte, es gebe keine giftigen und nicht giftigen Stoffen. Es hänge von der Menge ab. Ja, bekanntlich ist es sogar möglich sich an das Giftstoff Arsenik zu gewöhnen. Bevor diese besondere Eigenschaft des Arseniks allzu bekannt wurde, war es deshalb möglich für den Verfasser eines Krimis ein Rätsel daraus zu machen. Er konnte dem Mörder die tödliche Mahlzeit mit dem Opfer teilen lassen, und erst auf letzte Seite die besonderen Eigenschaften des angewendeten Giftstoffs entschleiern.
Streeck hat nichts über Arsenik gesagt, hat aber gesagt, dass der Verlauf einer Erkrankung von der Menge der eingenommenen Bakterien bzw. Viren abhänge. Das klingt auch plausibel.
Fall A: Du atmest die Luft ein, die der Fußgänger neben dir beim Vorbeilaufen eben ausgeatmet hat. Der normal aussehende Fußgänger trägt wissend oder unwissend eine Infektion. Du bekommst X Bakterien bzw. Viren in deine Luftwege hinein.
Fall B: Der liebe Kollege ist wegen dringender Aufgaben bzgl. eures gemeinsamen Projekts trotz Fieber tapfer an der Arbeit. Plötzlich niest er, und du bekommst 100-mal-X Bakterien bzw. Viren.
Im Fall A merkst Du gar nichts die folgenden Tage. Im Fall B wirst Du vielleicht krank.
Ich bin kein Mediziner und kann das Verhältnis zwischen Fall A und Fall B als 1 zu 100 nur als eine Hypothese aufstellen. Es wäre möglicherweise hilfreich gewesen, falls ein Mediziner und Experte auf Epidemien uns reale Zahlen geben würde.
Konsequenzen für die Gesellschaft
Vermutlich wäre es doch nicht für einen Mediziner einfach zu erklären, genau wie eine Epidemie durch eine Gesellschaft läuft. Man muss nicht nur die medizinischen Eigenschaften der aktuellen Bakterie bzw. des Virus kennen, sondern auch wissen wie die Menschen sich benehmen. Wie die Menschen ihr Benehmen durch öffentliche Regelungen tatsächlich ändern, ist wiederum eine dritte und nicht leicht überschaubare Frage.
Zwar ist es einfach einzelne Wirkungen einzelner Veränderungen festzustellen. Sprichst du mit dem Kollegen durch Telefon, steckst du ihn nicht an, treffen sich zwei Kollegen im Büro, kann der eine den anderen anstecken. Wenn wir die Schulen schließen, stecken sich die Kinder in der Schule nicht an. Ob sie sich denn mehr oder weniger anstecken, hängt davon ab wo die Kinder denn sich aufhalten und was sie tun.
Ja, ich gehe davon aus, dass die Kinder sich durch eine Schulschließung weniger anstecken als sonst – wie groß ist aber die Veränderung? Ob der Unterschied zwischen kann und kann nicht wichtigist, ist eine Frage der Menge der Übertragegen Bakterien bzw. Viren. So müssen wir den Virologen Hendrik Streeck im Gespräch bei ZDF vor einigen Tagen verstehen.
Wir sollten uns denn nicht so erschrecken lassen, weder von Menschen noch von der Natur, dass wir die Frage der Menge überspringen. Wir dürfen nicht „Menge Null“ mit „Leben“ gleichstellen. Der Unterschied zwischen Leben und Tod ist absolut, der Unterschied zwischen anstecken und nicht anstecken ist aber nicht absolut, sondern eine Frage der Menge.
Eine Epidemiologie für die aufgeklärte Gesellschaft sollte womöglich die wichtigen „Anstecken Können“ von den nicht wichtigen „Anstecken Können“ trennen. Es muss viele Fälle des „Anstecken Könnens“ geben, die einfach geringfügig sind. In welchem Grade dieses Wissen überhaupt verfügbar ist, ist mir zwar unbekannt. Ich gehe davon aus, dass man in der Nähe von „Menge Null“ viel weiß. Man weiß zum Beispiel wie man die Infektionsgefahr eines OP-Raums oder eines Labors auf nahezu Null bringen kann. Was weiß man aber über die S-Bahn?
Das „optimale“ Anstecken
Wenn die Folgen des Ansteckens eine Frage der Menge ist, entsteht die Frage ob es ein „optimales“ Anstecken gibt. Also ein passendes Dosis Bakterien bzw. Viren einnehmen, möglichst mild oder gar symptomfrei die Krankheit durchleben und immun werden – fertig! Die gesundheitliche Konstitution jedes Menschen ist natürlich unterschiedlich. Für jede Person könnte es aber ein „optimales“ Anstecken geben wobei die Krankheit möglichst milde zur Immunität führt. Wie man sieht, ähnelt die Idee das Prinzip Impfung.
Dir Frage der Menge fügt der Politik der Maßnahmen bzgl. einer Epidemie eine weitere Dimension hinzu. Alle Maßnahmen gehen darum, die Verbreitung des Virus herunterzustellen. Gesetzt es gäbe für jeden ein optimales Anstecken, würden die Maßnahmen bedeuten, dass die „Glücksvogel“, die optimal angesteckt werden, sich verschieben würden. Ohne Maßnahmen sind A und B die „Glücksvogel“, mit Maßnahmen sind es C und D. Die Maßnahmen fallen denn günstig für C und D aus, aber nicht unbedingt für A und B. Zwar würden wohl A und B auch mit Maßnahmen früher oder später angesteckt werden und zur Immunität gelangen.
Epidemiologie gehört der medizinischen Wissenschaft, bezieht sich aber offensichtlich auf Annahmen oder Wissen darüber, wie sich die Menschen benehmen. Um das alltägliche Benehmen der Menschen gesetzlich drastisch zu ändern, obwohl zeitweilig, sollte man gute Gründe haben. Mit dem Erkenntnis, Anstecken ist eine Frage der Menge, erscheinen die durchgeführten Maßnehmen noch etwas mangelhafter begründet.
Note 1: Der norwegische Mediziner Karl Evang
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